Geschichten

Der kleine Kaiser

1

Am Morgen des 24. Tages zog der kleine Kaiser die gelbe
Jacke an und machte sich auf in einen neuen Tag. Der ganz anders werden sollte als alle anderen. Weshalb er die gelbe Jacke ja extra hatte anfertigen lassen. Von einem Schneider aus Perugia, das für die Qualität seines Handwerks berühmt war, insbesondere für die der nähenden Zunft. Deren Mitglieder ebenso wie sie nähen, auch messen, schneiden, abstecken können müssen, vor allem aber: fühlen müssen sie können, fühlen. Die Qualität der Stoffe und die Qualität der Wünsche, die die Menschen haben an ihr Äußeres. Der Schneider hieß Herr Karl, er war sowohl in Perugia fremd als auch im Land des kleinen Kaisers. Was seine Nähkunst nicht schmälerte. Und die Kunst zu fühlen sogar gesteigert hatte.
Den Stoff für die Jacke hatte der kleine Kaiser aus Danirabad mitgebracht von einer Reise, die ihm sein Leibarzt empfohlen hatte, als er eine gewisse Ödigkeit in den Augen des Kaisers diagnostiziert hatte. Die Reise war erfolgreich gewesen, die Augen des kleinen Kaisers hatten bereits nach drei Tagen wieder geleuchtet und als er Danirabad endlich erblickt hatte, da sollen sie sogar geflackert haben. So stand es später
in den Annalen. Doch war dies nur der Auftakt gewesen!
Stoffe aus Danirabad haben die Eigenschaft sehr leicht, glatt, aber dennoch wärmend zu sein. Sie sind so angenehm auf der Haut, dass sie einen ganz vergessen machen, dass sie da sind. Trägt man sie mehr als 20 Stunden lang, dann vergisst man sogar selbst, dass man da ist. Was ja dem Entzücken gleichkommt. Aber darum ging es dem kleinen Kaiser nicht. Auch hatte er die Jacke nicht auf die Haut, sondern über ein Hemd gezogen. Was die Wirkung drastisch schmälerte.
Es musste mit der Aufregung zu tun gehabt haben. 24 Tage lang hatte er auf diesen Moment gewartet. Der Herr Karl hatte es so gesagt: 24 Tage. Drei mal acht. Und dann erst. Dann, Majestät, ziehen Sie die Jacke an und Sie werden gerüstet sein für alles, was kommt.

2

Der kleine Kaiser hatte eine Frage, was die Herkunft der Dinge angeht. Die Antwort Gott war ihm zu wenig. Alle sagten das, so oder ähnlich. Auch Zeitdimensionen wurden heran gezogen, früher, immer oder ewig zum Beispiel, Zahlenspiele wurden vorgeführt, jemand ließ ihn durch ein Fernrohr blicken, andere rieten zur Sitzmeditation. Der kleine Kaiser verwand viel Zeit auf die Recherche, während der er fast die Frage vergessen hatte. Als er merkte, dass sie ihm kaum noch einfiel, sah er die Antwort. Für einen kurzen Moment wusste er sie, … was war noch mal die Frage gewesen?
Er hat bis heute noch viele Diskussionen darüber. Sie sind müßig. Der kleine Kaiser sollte lieber regieren.
Dieses war die erste Prüfung.

3

Als der kleine Kaiser zu dick wurde, nahm er ab.
Er tat es, indem er es sich sagte. Und so geschah es auch.
Ein mitteldicker Journalist beobachtete dies und schrieb einen 200 Seiten langen Ratgeber über die Kleine Kaiser Wunschdiät.
Das Buch wurde ein großer Erfolg, der mitteldicke Journalist wurde reich und schrieb ein 250 Seiten langes Buch über den Wunscherfolg.
Das Buch wurde ebenso ein sehr großer Erfolg und der mitteldicke Journalist fühlte sich sehr wohl im Reich des kleinen Kaisers.
Dies war keine Prüfung.

4

Einmal musste der kleine Kaiser verreisen.
Er machte sich große Sorgen um seinen Hund.
Er ließ ihm die gelbe Veränderungsjacke da, an der der Hund riechen konnte. Und die so leicht war und so glatt und so warm und das Gefühl auf dem Fell erzeugen konnte, dass sie gar nicht da war, und dass hund selber auch nicht da war nach circa 20 Stunden. Herr Karl, der berühmte Schneider aus Perugia, hatte sie angefertigt mit Stoff aus Danirabad. Der Hund duckte sich, als der kleine Kaiser sie ihm gab und schlich traurig in sein Körbchen, welches aus Weide war und an mehreren Ecken schon angeknabbert.
Der kleine Kaiser musste aber fort in ein fremdes Land über das große Meer mit einem Schiff, denn er durfte nicht fliegen. Und so dauerte die Reise sehr lang, auch weil die Großmutter, die der kleine Kaiser besuchen musste, schwerhörig war, und
er ihr die Botschaften langsam schreiend, mit mindestens dreimaliger Wiederholung, zurufen musste. Das kostete viel Zeit.
Als der kleine Kaiser zurückkam, war der Hund weg.
Und die Jacke noch da.
Dieses war die zweite Prüfung.

5

Der Schneider aus Perugia, Herr Karl, nähte sich eine blaue Jacke und holte den Hund nach 26 Tagen zurück.
Der Hund musste gebadet werden. Er stank sehr stark nach totem Fisch.
Der kleine Kaiser freute sich und der Hund auch.
Diese Geschichte war gerade noch mal gut gegangen.

Fortsetzung folgt …